01 März 2012

Der Monolith wächst auf Papier

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Am Dienstagabend, 12. Februar 2008, hatte ich in meiner Stammkneipe auf einem halben Dutzend kleiner Notizzettel das Thema für einen ATLAN-Sechsteiler konzipiert. Danach ließ mich die Sache nicht mehr los. Das war außergewöhnlich: Ständig schrieb ich mir irgendwelche Ideen auf, und ein Teil meines sozialen Umfeldes hatte sich schon daran gewöhnt, dass ich meist einen Kugelschreiber oder gleich einen Notizblock mit mir herumschleppte.

Die meisten dieser Ideen notierte ich mir allerdings, ohne sie dann weiter zu verfolgen - meist aus Zeitgründen. Dieses Monolith-Thema fesselte mich jedoch länger. Vielleicht lag es daran, dass es nach gut 17 Jahren wieder aus der Versenkung aufgetaucht war und jetzt »verarbeitet« werden wollte. Und so saß ich bereits am nächsten Vormittag mit den kleinen Zetteln in der Hand an meinem Schreibtisch und übertrug die Daten auf karierte A4-Blätter.

Unter anderem legte ich eine Tabelle an, wobei ich die Linien schlicht »von Hand« zog. Das ganze sah improvisiert und unsauber aus; aber ich wollte damit ja nur arbeiten. Ich orientierte mich an dem System, mit dem Robert Feldhoff und ich gut zehn Jahre zuvor den Traversan-Zyklus konzipiert hatten: erst einmal nach der Struktur gliedern, dann die vorhandenen Ideen kanalisieren, zuletzt weitere Ideen hinzufügen.

Ganz links trug ich schlicht die Bandnummern ein, ganz rechts die Namen von potenziellen Autoren. Dazwischen kamen Spalten, deren Rubriken ich als »Planet«, »was erfahren sie?« oder »Lovestory« bezeichnete. Eine weitere Spalte, für die ich keine Überschrift fand, sollte charakterisieren, welche Richtung der jeweilige Roman einschlagen sollte.

Wichtig war mir von Anfang an, dass jeder Autor einen »eigenen Planeten als Spielwiese« haben sollte. Idealerweise handelte es sich dabei um eine Welt, die innerhalb des PERRY RHODAN-Universums noch nie eine Rolle gespielt hatte, oder um ein Volk, über das man so gut wie nichts wusste. Ich glaubte, dass solche Themen gerade bei den ATLAN-Taschenbüchern passend angesiedelt wären.

Das sah im Beispiel des Planeten Thanaton so aus: Zuerst kam »Planet Thanaton / Lemurer / Terra-Kolonie«, dann »Monolith entdeckt - Genveränderung bei Lemurern - Atlan versagt bei Einsatz«, zuletzt noch »Agenten - Politik - Action - Exotik«. Für eine Liebesgeschichte hatte ich offensichtlich keine Idee, und die Autorin, die ich mir »ausgesucht« hatte, schrieb den Band letztlich sowieso nicht.

Beim Planeten Zartiryt stand »Planet am Rand eines Black Hole - rotglühend, zerfressen«, womit ich die Stimmung, so hoffte ich, gut umschrieben hatte; dann »hektische Suche nach anderen Monolithen - das hier war der erste - aber Atlan nicht der einzige, der forscht - es gibt einen Bösewicht«.

Ich gebe zu, das klingt schreiend primitiv, aber zu diesem Zeitpunkt ging es mir darum, die Struktur für den Zyklus herauszufinden. Als Richtung nannte ich »Hardcore-Techno mit Science-Aspekt«, und als Autor hatte ich Götz Roderer angedacht.

So ging es weiter. In den weiteren Spalten gab es eine »eher romantische SF-Fantasy-Mixtur à la Steampunk« (für Hans Kneifel), einmal »richtig fremdartig«, einmal »Kampf im Leerraum - Niedrig-Schwerkraft-Action - SF-Krimi« (hier überlegte ich, Konrad Schaef einzusetzen) oder auch »Detektive und Mutanten - Tipa am Ende«.

Als Schauplätze knobelte ich an »Lumbagoo - Mond um Riesenplanetensystem mit vierzig Planeten und 250 Monden«, an »Chlorgaswelt mit Gradosima-Nachkommen - extrem strenge Gesellschaft - Schii-thihakat« (was immer ich damit meinte) oder auch »Tarey-Hauptwelt - originelle Zivilisation«.

Daran sieht man, worauf ich hinaus wollte: Ich plante, endlich mal eines der menschlichen Sternenreiche ins Zentrum der Handlung zu stellen, über die man in der klassischen PERRY RHODAN-Serie so gut wie nichts erfahren hat. Gemeint ist die Tarey-Bruderschaft, die genau in der Zeit, in der die ATLAN-Taschenbücher angesiedelt sind, auch einen Beitrag zum galaktischen Intrigenspiel leistet.

Darüber hinaus wollte ich ein kosmisches Geheimnis einarbeiten, »dessen Rätsel Atlan und seine Mitstreiter unter enormem Zeitdruck lösen müssen«, wie ich mir notierte. Es sollte mit den Monolithen zusammenhängen, und die wiederum wollte ich anfangs mit dem Krieg zwischen den Halutern und Lemurern verknüpfen. Könnte das ein altes Fallensystem der Lemurer sein, eine Waffe vielleicht, mit der diese gegen die Haluter angetreten waren?

Wenn ich aber die Lemurer mit den Monolithen verband, konnten die dann überhaupt so alt sein? An diesem Punkt meiner Überlegungen beendete ich das Kritzeln mit der Tabelle. Die sah ohnehin schon reichlich unsauber aus; ich war mir sicher, dass ich mit meinen eigenen Notizen bald nichts mehr anfangen konnte. Aber aufgeben wollte ich nicht, dafür faszinierte mich das gesamte Monolith-Thema schon viel zu sehr.

Vielleicht sollte ich noch einmal von einem anderen Gesichtspunkt aus arbeiten? Ich hatte eine Struktur geschaffen, mehr nicht, und ich hatte dieser einige wenige Ideen untergeordnet. Wie aber wäre es, wenn ich jetzt anfinge, systematisch die einzelnen Ideen weiterzuspinnen, vielleicht sogar parallel? Vielleicht entstand dann ein weitergehendes Konzept, das ich dann Sabine Kropp präsentieren konnte?

Das aber würde eher eine Arbeit für den Abend sein; zumindest nahm ich mir das vor. Die reguläre Arbeit musste schließlich vorher erledigt werden, und so schob ich Atlan und sein Monolith-Problem in eine Schublade und hoffte, dass es dort bliebe ...

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