16 Dezember 2010

Mein erster Trip nach Chotebor


Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Der gemeinsame Ausflug, den Robert Feldhoff und ich im Mai 1999 in die Tschechische Republik unternahmen, erreichte am Samstag, 8. Mai, einen gewissen Höhepunkt: Wir sollten an diesem Tag den großen tschechischen Con besuchen. Dieser fand nicht in Prag statt, wie wir in unserer Naivität vorher angenommen hatten, und auch nicht in einem Vorort, sondern in Chotebor, einer kleinen Stadt mitten in Tschechien.

Wir wurden in aller Herrgottsfrühe von unserer freundlichen Reiseleiterin im Hotel abgeholt. Während wir beide uns ein wenig zerknittert fühlten, war sie bester Laune und packte uns in ein Taxi. Mit diesem verließen wir Prag und steuerten über die Autobahn sowie diverse Landstraßen die tschechische Provinz an. Irritiert stellten Robert und ich fest, wie weit Chotebor wirklich von Prag entfernt war; die Fahrt durch ausgedehnte Waldgebiete und entlang kleiner Gemeinden dauerte gut zwei Stunden.

Chotebor erwies sich als gesichtslose Kleinstadt, die keinen großen Eindruck auf mich hinterließ. Das Congebäude war der örtliche Kulturclub, und dieser wiederum sah aus wie ein Bürgerhaus, wie sie in den 70er Jahren auch in Westdeutschland aus dem Boden gesprießt waren: viel Beton, im Innern Holz, das ganze mit einem rustikalen Charme. Immerhin gab es in der Umgebung eine Reihe ruhiger Nebenstraßen sowie Grünflächen, wo man spazieren gehen konnte.

Während Robert und ich von unserer Reiseleiterin her durch das Gebäude geschleust wurden und nacheinander den Converanstaltern die Hände schüttelten, erfuhren wir ein wenig mehr über die Veranstaltung. Der sogenannte Avalcon war in der Tschechischen Republik seit langem eine Traditionsveranstaltung, die jeweils mehrere Programmschienen aufwies. Unter anderem gab es ein literarisches Programm, eine spezielle »Star Trek«-Schiene und einen UFO-Kongress mit halbwegs wissenschaftlichen Vorträgen.

Die Programm-Informationen, die man uns in die Hände drückte, konnten wir mangels Sprachkenntnissen nicht lesen. Immerhin gab es einige Besucher, die gut deutsch konnten; zeitweise stellte man uns sogar eine Dolmetscherin zur Seite. Ich schätzte, dass an die 250 Fans anwesend waren, die sich großzügig auf die insgesamt sieben Veranstaltungsräume verteilten. Mir kam so vor, als sei der Saal, in dem ständig irgendwelche Filme gezeigt wurden, der wichtigste – dieser Saal war zumindest immer gut gefüllt.

Wir platzierten einige der mannsgroßen PERRY RHODAN-Aufsteller und brachten mithilfe unserer Reiseleiterin kostenlose Heftromane der tschechischen Ausgabe unters Volk. Da Robert und ich die einzigen ausländischen Gäste waren, standen wir immer wieder im Zentrum des Interesses. Mit einigen der Veranstalter aßen wir später in einem Nebenraum zu Mittag; die Unterhaltung fand in einer munteren Mischung aus deutsch, tschechisch und englisch statt.

Und dann hatten wir auf einmal eine richtige »Lücke« in dem ohnehin sehr sanft strukturierten Programm. Wir beschlossen, uns die Stadt anzuschauen, schnappten uns Äpfel als Nachtisch und gingen spazieren. Chotebor wirkte recht geruhsam, zumindest in der direkten Nachbarschaft des Conlokals herrschten Grünflächen und gemütlich wirkende Häuser vor. Wir bummelten ein wenig in der Sonne und unterhielten uns.

Robert, der mir zuvor ein paarmal zugeschaut hatte, wie ich im Con geknipst hatte, nahm mir meine bescheidene Spiegelreflexkamera ab. Ich wusste, dass er jahrelang fotografiert hatte, und sich wesentlich besser auskannte. »Du musst auch mal ein Motiv schräg nehmen«, sagte er und »schoss« eine ganze Serie von Bildern von mir, während ich einen Apfel verspeiste.

Später musste Robert zu »ernsthaften« Programmpunkten auf die Bühne; in einem sehr gelungenen Vortrag präsentierte er die tschechische PERRY RHODAN-Ausgabe sowie den ersten Space Thriller im Nachbarland. Es schlossen sich Diskussionen mit Fans, Autoren und Übersetzern an: Gefragt wurde beispielsweise nach der Art und Weise, wie unsere Serie gestaltet wird und wie wir den Arbeitsaufwand »managen«.

Ebenso interessierten sich die Conbesucher für die Kooperation mit den Kollegen in Prag. Zu der Zeit arbeitete der tschechische Verlag mit einem Team von sechs Übersetzern, von denen vier für die Hefte und zwei für die Taschenbücher zuständig waren. Das war sogar für mich neu, und bei diesem Con lernte ich auf diese Weise viel über unsere Lizenzpartner. Glücklicherweise hatten wir bei diesem Programmpunkt eine fähige Übersetzerin vor Ort, die rasch und sehr korrekt vom Deutschen ins Tschechische und zurück übersetzte; ansonsten hätten wir den Umweg übers Englische machen müssen.

Anschließend kam ein – für mich – gemütlicher Teil. Robert musste noch viel signieren. Die Fans ließen sich Unterschriften auf T-Shirts und Bücher, auf Kalender und Bilder malen; sie freuten sich über die Mitbringsel unserer Marketing-Abteilung, die wir großzügig verschenkten.

In der Zwischenzeit verteilte ich Feuerzeuge und anderen Kleinkram, und unterhielt mich mit dem Macher einer slowakischen PERRY RHODAN-Homepage. Darüber hinaus traf ich Tschechen wieder, die 1992 den von mir mitveranstalteten FreuCon besucht hatten; wir diskutierten, tranken Bier und amüsierten uns sehr gut. Schnäpse vermieden wir, so gut es ging, den einen oder anderen nahmen wir trotzdem.

Am Abend schieden wir in bester Freundschaft von den supernetten Veranstaltern des Cons in Chotebor. Unsere Reiseleiterin geleitete uns per Taxi zurück in die Hauptstadt; ich saß vorne, während sie hinten den müden Robert in eine anstrengende Unterhaltung verwickelte. Wir ließen uns am Hotel absetzen, heuchelten völlige Übermüdung und waren heilfroh, als wir unsere Ruhe hatten.

Gemeinsam bummelten wir ein weiteres Mal durch die Altstadt, tranken später noch Bier in einer kleinen Kneipe und kamen erstaunlich früh ins Hotel zurück. Es reichte an diesem Abend tatsächlich ...

Immerhin nutzten wir am Sonntag die Rückfahrt für die Arbeit: Wir saßen von Prag nach Dresden im selben Zug, dort trennten sich unsere Wege. Und auf dem Weg diskutierten wir angeregt über das PERRY RHODAN-Exposé 1999 und die Möglichkeiten, die verzweigte Handlung des laufenden Zyklus zu einem »guten Ende« zu bringen.

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