14 Oktober 2010

Mit Robert in Prag

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Wer mit der Bundesbahn reist, vor allem ins Ausland, kann einiges erleben. Das merkten Robert Feldhoff und ich, als wir im Mai 1999 nach Prag fuhren, er aus Nord-, ich aus Süddeutschland. Die Dame am Schalter, bei der ich mich in Rastatt über mögliche Fahrtstrecken erkundigte, schlug allen Ernstes vor, über Regensburg zu fahren, um von dort aus einen Bummelzug über Cheb (ehemals Eger) nach Prag zu nehmen. Auf meinen Hinweis, dass es doch über Dresden sicher schneller ginge, sagte sie schnippisch: »Das ist aber ein Umweg.«

Tatsache ist, dass sowohl der Kollege aus Oldenburg als auch ich rund zehn Stunden benötigten und etwa zur selben Zeit am Hauptbahnhof der tschechischen Hauptstadt ankamen. Es war der Donnerstag, 6. Mai 1999, und das Bahnhofsgebäude wirkte im ersten Augenblick auf mich recht verwirrend. Aber wir hatten unsere Ankunftzeiten einigermaßen aufeinander abgestimmt, und es gab sogar ein Empfangskomitee: Eine junge Verlagsangestellte unseres Lizenzpartners sollte uns abholen und mit einem Taxi in die Pension fahren, in der man uns ein Zimmer reserviert hatte.

Aber was trieb uns im Mai 1999 nach Tschechien?

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre kam PERRY RHODAN zum ersten Mal in der Tschechischen Republik heraus. Die Prager Kollegen übersetzten den »Thoregon«-Zyklus, was ganz gut anlief, und es gab sogar Fan-Clubs. Spätestens als Robert Feldhoffs Roman »Grüße vom Sternenbiest« in Tschechien erschien, war klar, dass wir mit den Kollegen im Nachbarland mehr machen mussten.

Der Vorschlag wurde uns per Fax vom Übersetzer übermittelt: Er schlug vor, eine Presse- und Fan-Reise nach Tschechien zu unternehmen, inklusive eines Conbesuches und vieler Interviews. Das klang gut, und das war der Grund, warum Robert Feldhoff und ich nach Prag reisten. Ich hatte das Land noch nie besucht, Robert ebensowenig, und so waren wir beide gespannt, was uns erwarten würde.

Tatsächlich klappte am Bahnhof alles: Die Verlagsangestellte, eine blonde Frau, die ein wenig Deutsch sprach, sammelte Robert und mich ein. Unser Gepäck wurde in ein Taxi verladen, und ohne große Diskussion wurden wir zum ersten offiziellen Termin geschleppt. Es war eine Buchhandlung in der Innenstadt, die sich auf Science Fiction und Comics spezialisiert hatte. Im Obergeschoss gab es einen Club-Raum der Science-Fiction-Fans, eine Art Kneipe mit entsprechender SF-Dekoration.

Als wir eintrafen, begrüßten uns über zwei Dutzend Fans; im Verlauf des Abends wurden es auch mehr. Robert und ich waren beide von der langen Fahrt ein wenig erschöpft, gleichzeitig hatten wir Hunger. Immerhin bekamen wir sofort ein leckeres tschechisches Bier hingestellt, wir erhielten einen Ehrenplatz, und dann hielt jemand eine Rede. Leider versagten hier die Übersetzungskünste, so dass wir beide nur sehr wenig verstanden. Aber es schien unterhaltsam zu sein, denn es wurde gelegentlich gelacht.

Der Sprecher hielt zudem die tschechische Ausgabe von »Grüße vom Sternenbiest« hoch, so dass alle wussten, weshalb wir hier waren. Unsere Partner hatten das Cover-Motiv unserer Ausgabe übernommen und das Buch als schönes Paperback in den Handel gebracht. Ich fand, dass es gut aussah.
Nach der Rede musste Robert einige Exemplare signieren, bevor man ihn zu einem besonders heiklen Auftrag nötigte: Er sollte sich an der Decke der Fan-Kneipe verewigen. Man drückte ihm einen dicken Filzstift in die Finger, er stellte sich auf einen Stuhl und krakelte seine Unterschrift an die weiße Decke. Blitzlichter flackerten, Robert schrieb sorgfältig, und dann waren wir auch schon entlassen.

Unsere »Reiseleiterin«, wie wir die junge Frau mittlerweile nur noch nannten, hatte mittlerweile erneut ein Taxi organisiert. Zwar schob ich längst richtig Kohldampf, aber sie wollte uns zuerst in unsere Unterkunft bringen. Die Fahrt ging an der Moldau entlang, dann durch einige Seitenstraßen und eine Anhöhe hinauf. In einem Gebäude, das aussah wie ein Mehrfamilienhaus aus den fünfziger Jahren, war die Pension untergebracht.

Und erst als Robert Feldhoff und ich in dem Zimmer standen, das die Pensionswirtin und unsere Reiseleiterin präsentierten, war uns klar, dass man für uns beide nur ein Zimmer hatte. Man müsse Geld sparen, erklärte die Reiseleiterin, man habe als kleiner Verlag nicht so viel Geld, und deshalb habe man für uns beide ein Doppelzimmer gebucht. Wir hätten da sicher nichts dagegen, wir seien doch bestimmt nicht empfindlich.

In der Tat waren wir beide nicht empfindlich, aber es musste nicht sein. Nachdem ich erfahren hatte, dass das Zimmer für deutsche Verhältnisse recht preiswert war und die Pension ohnehin zur Hälfte leer stand, dauerte es nur noch eine weitere halbe Stunde, bis jeder von uns ein Zimmer hatte. Wir packten unser Gepäck in die Zimmer und logen unsere Reiseleiterin an; mittlerweile hatten wir keine Lust mehr auf die etwas umständlich agierende Dame. Angeblich seien wir müde, und der Hunger sei völlig verschwunden, und so würden wir uns einfach morgens wieder treffen.

Womöglich war sie ebenfalls froh, uns loszuwerden. Rasch verschwand sie wieder mit dem Taxi. Wir atmeten beide auf, checkten unsere Umgebung, radebrechten ein wenig mit der Pensionswirtin und zogen zu zweit los.

Es wurde ein sehr netter Abendspaziergang durch das nächtliche Prag. Wir fanden ein kleines Restaurant, wo man preisgünstig und lecker essen konnte, wir tranken gutes Bier, wir bummelten über die Karlsbrücke und durch stille Altstadtgassen, und wir redeten über allerlei Themen.

Unter anderem kamen wir auf den Golem, das mystische Wesen, das angeblich in Prag sein Unwesen getrieben hatte. Und prompt waren wir in einer spannenden Diskussion über untote Lebewesen, Klongeschöpfe, PERRY RHODAN-Ideen und anderes – wie so oft in diesen Tagen. So endete der erste Tag in Tschechien nach anstrengendem Anfang und holprigen Mittelteil doch mit einem interessanten Abend ...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Lieber Klaus, ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Du und Robert in der Pension vor einem Zimmer gestanden habt. Sein überraschtes und gleichzeitig beschämtes, ratloses lachen! Tolle Geschichte!
Es grüßt ganz herzlich die Schwester von Robert,
Petra Feldhoff