08 Dezember 2008

Bei Ebbe und Flut in Wien

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Der Grund, warum ich im September 1999 nach Wien fuhr, war ein rein privater: Ich besuchte eine befreundete Journalistin, und ich nutzte die Gelegenheit, auch den einen oder anderen alten Bekannten zu treffen. Und wenn ich schon mal in der Stadt war, so dachte ich, könnte ich den Wiener PERRY RHODAN-Stammtisch besuchen. Meine Erinnerung kann sich trüben, aber ich bildete mir ein, dass der Stammtisch extra wegen meines Besuchs ein wenig verlegt wurde, damit alles »passte«; darüber freute ich mich selbstverständlich sehr.

Und so steuerte ich am Freitag, 3. September 1999, ein Lokal in der Wiener Innenstadt an, das mir durch seinen seltsamen Namen auffiel. Es nannte sich »Ebbe & Flut«, und es war sehr gemütlich eingerichtet. Unter anderem hingen Bilder von Schiffen an den Wänden, was mich irgendwann zu der spöttischen Bemerkung brachte, wo denn Österreich einen Meereszugang hätte. Oder patrouilliere die Marine des Landes auf dem Bodensee?

Man beleerte mich eines besseren. Österreich-Ungarn hatte bis zu seinem Ende im Jahr 1918 sehr wohl einen Zugang zum Mittelmeer, und selbstverständlich gab es eine Flotte dieses Landes, die auch auf den Weltmeeren operierte. Man lernt nie aus, dachte ich und nahm mir vor, nie wieder über Österreich, seine Streitkräfte oder seine sonstigen speziellen Sitten und Gebräuche zu lästern.

Bevor der Wiener PERRY RHODAN-Stammtisch begann, traf ich mich noch mit Ernst Vlcek. Mit dem Wiener Autor hatte ich immer viel zu besprechen; immerhin war er zu der Zeit noch aktiv in die Exposé-Arbeit eingebunden, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt bereits von seinem Ausstieg wusste. Wir redeten über aktuelle Romane und Entwicklungen, wir aßen gut und tranken ein wenig Bier, und wir taten das, was wir am liebsten machten: Wir erzählten uns allerlei Geschichten, redeten also über »Gott und die Welt«, über Kollegen und Verlage, über die DRAGON-Serie ebenso wie über die klassischen DÄMONENKILLER-Romane.

Irgendwann tauchte Michael Marcus Thurner auf, der damals den Wiener Stammtisch organisierte und sich wahrscheinlich noch nicht mal vorstellen konnte, irgendwann selbst PERRY RHODAN-Autor zu sein. Er sagte, wir sollten in den Nebenraum kommen; länger drücken könnten wir uns nicht, denn dort warteten bereits über zwei Dutzend Fans auf uns. Angesichts der freundlichen Einladung konnten wir nicht widersprechen und folgten ihm.

In der Tat versammelten sich im Nebenraum gut dreißig Fans, es gab ein gewisses Kommen und Gehen, aber die meisten blieben den ganzen Abend über. Mit dem Künstler Reinhard Habeck und dem Autor Andreas Findig waren auch die zwei Menschen anwesend, die zu der Zeit mit dem Gucky-Kinderbuch »Lausbiber-Alarm« für Aufsehen sorgten. Und da gleich zu Beginn alle Besucher des Stammtisches mit ihren Fragen auf uns einstürmten, blieb Michael Marcus Thurner nichts anderes übrig, als die Veranstaltung zu kanalisieren – es gab eine richtige Frage-und-Antwort-Stunde. Mit dem einen Unterschied: Sie dauerte keine Stunde, sondern gut drei bis vier Stunden.

Das übliche Spiel bestand anfangs selbstverständlich darin, dass die Leser mehr über die aktuelle Handlung wissen wollten. Zu der Zeit ging die Handlung der Serie auf den Jubiläumsband 2000 zu, aber wir verrieten nur wenig über das Kommende. Immerhin wurde der aktuelle Neuzugang im Autorenteam sehr gelobt, was mich freute: Rainer Castor hatte zu der Zeit gerade seinen Einstand gegeben, und die Verstärkung vor allem im technisch-wissenschaftlichen Bereich gefiel den Besuchern des Cons sehr. Später wechselte die Diskussion auch zu anderen Themen, beispielsweise wurde der bevorstehende WeltCon angesprochen.

Irgendwann kam es zu einem Ereignis, das mich ein wenig verwunderte und das hinterher noch für Diskussionen unter dem Stammtischbesuchern sorgte: Auf einmal kam der Kellner in den Nebenraum und stellte mir mit verschwörerischer Miene ein neues Bier auf den Tisch; dazu legte er einen Zettel. »Das hat eine Dame für Sie abgegeben«, sagte er und ging wieder.

Des Rätsels Lösung war einfach: Meine Gastgeberin an diesem Wochenende, die eingangs erwähnte Journalistin, hatte den Stammtisch quasi »von außen« besucht und den Gesprächen im Nebenraum aus dem Hauptraum eine Weile zugehört und gelegentlich reingeschaut. Dann war es ihr »zu viel Perry«, wie sie mir hinterher sagte, und sie ging nach Hause – und damit ich das mitbekam, spendierte sie mir ein Bier. Ich fand das dann doch recht lustig, vor allem, weil alles so geheimniskrämerisch war und die Stammtischbesucher unbedingt wissen wollten, was denn geschehen sei; selbstverständlich verriet ich nicht mehr als nötig.

Irgendwann war nach ein Uhr nachts; es fuhr keine Bahn mehr, und es war reichlich kühl. Ich hätte mir ein Taxi nehmen können, aber dankenswerterweise fuhr mich der Wiener Fan Erich Loydl, der mit seinem Auto in die Favoritenstraße. Dort übernachtete ich an diesem Wochenende.

Beim Verabschieden versprach ich, diesen interessanten und amüsanten Abend am Wiener PERRY RHODAN-Stammtisch irgendwann nachzuholen. Dass dies bis heute nicht geschehen ist, finde ich mittlerweile ein wenig peinlich – es wird wohl langsam Zeit.

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