04 Juli 2008

Fanzine-Vorahnungen

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Erste Gehversuche mit eigenen Zeitschriften hatte ich bereits als Kind gesammelt. Im Alter von vielleicht zehn Jahren hatte ich ein Heft publiziert, das eine Auflage von genau einem Exemplar hatte und aus selbstgemalten Comics und handschriftlichen Texten bestand; als Heftung diente ein Bindfaden in der Mitte. Ich lieh das Heft einigen Nachbarskindern aus, und dann war es natürlich recht schnell verschwunden.

In der siebten Klasse entstand im Rahmen einer Projektarbeit eine Schülerzeitung ... Aber das waren alles Anfänge. Die Initialzündung war tatsächlich das Fanzine »solis orbita«, in dem 1979 meine ersten Texte veröffentlicht wurden. Ich war sicher, dass ich auch ein solches Fanzine publizieren könnte, wenn ich nur intensiv daran arbeitete. Mit dem Gedanken ging ich mehrere Wochen schwanger, und ich sprach in der Zeit mit den wenigen Bekannten, die meine Interessen teilten.

Einer war jener junge Mann aus der Nachbargemeinde, der zwar nicht dem PERRY RHODAN-Club »Gys Voolbeerah« beitreten wollte, aber auch eigene Fanzine-Ideen gesammelt hatte. Bei einem ersten Gespräch übergab er mir unter anderem eine Liste mit den Fanzine-Namen, die er sich ausgedacht hatte. Einer der Namen war SAGITTARIUS ... ich selbst bevorzugte zu der Zeit noch den Namen »Cygnus«, der mir – aus völlig unbekannten Gründen – viel besser gefiel.

Die zwei Kumpels aus dem Dorf, mit denen ich mich um diese Zeit wieder stärker anfreundete, zog ich ebenfalls ins Vertrauen; nach eigenen Gesprächen betrachtete ich sie als Redaktionsmitglieder. (Ich bin heute sicher, dass sie das anders sahen, aber ...) Zu ungefähr dieser Zeit verkehrten wir regelmäßig im Jugendzentrum »Murgtäler Hof« in Freudenstadt, wo wir am wöchentlichen »JuZ-Info« mitwirkten, einem doppelseitig kopierten Informationsblatt, in dem wir als »Redaxion« fungierten – nur echt mit falscher Rechtschreibung.

Stefan war der Sohn eines Industriellen, und Gunter war der Sohn eines Lehrers. Gelegentlich saßen wir auch bei mir zu Hause herum, entweder in der Sitzecke meiner Eltern oder in meinem Zimmer unterm Dach, wenn wir nicht gerade bei Stefan herumlungerten. Bei ihm sahen wir den »Rockpalast« und andere progressive Fernsehsendungen, bei mir zu Hause hörten wir selbst aufgenommene Kassetten, meist mit krachigem Sound von The Clash bis Nina Hagen, und nach einiger Zeit sogar Abba und andere Pop-Musik.

Irgendwann stellte ich den beiden meine Fanzine-Idee vor. Die Diskussion war schnell vorüber: Der Name »Cygnus« wurde sofort abgelehnt. Das klinge nach »Schwyzerdütsch«, argumentierte Gunter, und Stefan fand den Namen allgemein blöd. Dafür begeisterten sich beide für den Namen SAGITTARIUS, obwohl wir nicht wussten, ob sich das Wort jetzt mit zwei »T« oder zwei »G« schreiben würde – und so bekam das Fanzine seinen Namen. (Erst zwei Jahre später erfuhr ich, dass mein Sternbild Schütze ist und meinem Fanzine so der Name »meines« Sternbilds gegeben wurde.)

Bei den ersten Besprechungen waren meine Kumpels immer eifrig dabei. Als es dann darum ging, die potentiellen Mitarbeiter anzuschreiben, saß ich auf einmal allein da. Aber ich verließ mich auf die ersten Kontakte, die ich bereits in der Fan-Szene geschlossen hatte, und schrieb Adressen aus anderen Fanzines heraus.

Es gab Fans, die unter anderem im »solis orbita« anboten, für neue Fanzines als Mitarbeiter zur Verfügung zu stehen; der erste, den ich anschrieb, hieß Armin Möhle und kam aus Norddeutschland – und so fügte sich ein Steinchen ins andere. Von ihm bekam ich auch recht schnell eine Antwort. Andere Leute, die ich anschrieb, reagierten gar nicht; wieder andere schickten mir umfangreiches Material. Darüber hinaus sprach ich Klassenkameraden an, ob diese vielleicht eine Zeichnung beisteuern könnten.

Jede Woche brachte der Postbote nun dicke Briefe ins Haus. Meine Eltern wunderten sich ebenso wie er selbst darüber, und um den Jahreswechsel 1979/80 kam eine Manuskript- oder Grafik-Einsendung nach der anderen; zwischendrin Tonbriefe und Fanzines. Mein kleines Jugendzimmer unter dem Giebeldach entwickelte sich zu einem wahren Büro, und meine kleine rote Kofferschreibmaschine (die ich 1988 in Burkina Faso verkaufte – aber das ist eine ganz andere Geschichte) ratterte jeden Abend.

Denn natürlich, so dachte ich, musste in dem neuen Fanzine auch eine Fortsetzungsgeschichte enthalten sein. Diese sollte von mir selbst stammen, immerhin wollte ich mich als Autor selbst stark in den Vordergrund schieben. Also konzipierte ich ein umfangreiches Fantasy-Epos, in dem es um eine Horde junger Barbaren ging, die zu einer gefährlichen Mission aufbrechen. Ich hielt das Manuskript für unglaublich originell und hatte riesigen Spaß dabei, beispielsweise einen Kampf zwischen Menschen und monströsen Spinnen zu schildern ...

Wichtig war jetzt aber vor allem eine Formalität: Den PERRY RHODAN-Club »Gys Voolbeerah« löste ich eigenständig auf, eine Abmeldung schickte ich an das »Zentralsekretariat« nach Rastatt. Meinen Kumpel Michael, der mit mir den Club gegründet hatte, interessierte sich nicht einmal fünf Sekunden für das Ende unseres gemeinsamen Projektes. Das war’s: Ich hatte einen Club gegründet und aufgelöst – was wollte ich mehr?

Was ich jetzt nur noch brauchte, war eine Druckerei. Dann konnte ich damit beginnen, mein eigenes Fanzine soweit zu bringen, dass es zu einem großen Erfolg werden würde. Also eigentlich gar kein Problem, dachte ich ...

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