20 Oktober 2008

Der Schritt ins Fantasy-Fandom

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:

Das Fanzine »Carthago« war wohl dasjenige, durch das ich am stärksten mit bisher unbekannten Bereichen des Fandoms im Berührung kam: Über Dittmar Schnack – so hieß der Herausgeber, wenn ich mich richtig erinnere – kam ich nicht nur in Kontakt zum Science-Fiction-Korrespondenz-Ring, in dem ich dann Mitglied wurde, sondern ich stieß auch auf das Fantasy-Fandom.

Fantasy-Literatur hatte ich erst kurz zuvor kennengelernt. Mit großer Begeisterung las ich die TERRA FANTASY-Romane, die Hugh Walker herausgab und die im Pabel-Verlag erschienen: packende Taschenbücher voller Schwert und Magie. Vor allem Autoren wie Hugh Walker selbst, Robert E. Howard und Thomas Burnett Swann hatten es mir sehr angetan, und ich wollte mehr über die Fantasy-Literatur wissen.

Da kam mir der »Carthago«-Artikel gerade recht. Er war sehr kritisch, aber er stellte die Hefte »Fantasia« und »Magira« vor, die beide im Ersten Deutschen Fantasy Club (EDFC) erschienen, dazu weitere Fanzines. (Eines davon wurde von Jörg Kaegelmann herausgegeben, der heute den Blitz-Verlag leitet, ein anderes von Elmar H. Wohlrath, der in den letzten Jahren als die eine Hälfte des Autorengespanns Iny Lorentz zu Bestsellererfolgen gekommen ist.) Kurzerhand schrieb ich den EDFC an und bekam Probeausgaben geschickt, dazu weitere Informationen über den Club an sich und seine fantastische Weltensimulation.

Diese Simulation wurde nämlich, so erfuhr ich nun, über die Organisation »Follow« betrieben, eine Art Arbeitsgemeinschaft des EDFC. Und »Follow« stand für »Fellowship of the Lords of the Lands of Wonder«; es ist erstaunlich, was ich nach all der Zeit noch weiß ... Mit großer Begeisterung las ich die Prospekte und Fanzines, und ich fand das Ganze immer faszinierender und spannender.

Und ich entschloss mich, einfach dem EDFC beizutreten. Dies wiederum brachte den riesigen Vorteil mit sich, dass ich »Magira« (zu der Zeit ein anspruchsvolles Magazin im A4-Format, das vierfarbige Titelbilder und professionell gesetzte Innenseiten besaß) und »Fantasia« (zu der Zeit wie auch heute noch ein A5-Fanzine, welches dick genug war und ist, um am Rücken geklebt zu werden) im Rahmen des Mitgliedsbeitrages bekam. Auf diese Weise wurde ich regelmäßig über die aktuelle Fantasy-Literatur informiert.

Damals stiegen die deutschen Verlage langsam in das Fantasy-Geschäft ein. »Der Herr der Ringe« war bereits erschienen, bei Heyne kam die »Conan«-Reihe auf den Markt, und das war erst der Anfang. Ich fand das spannend, hatte natürlich noch keinerlei Ahnung von dem, was gut und weniger gut war, und ich stürzte mich genau so auf die Fantasy, wie ich mich zur selben Zeit auch für die Science Fiction begeisterte. (Im Nachhinein ist mir schleierhaft, wo ich für das alles die Zeit hernahm, und auf der anderen Seite ist mir klar, warum mein Notendurchschnitt in diesem zweiten Halbjahr 1979 so drastisch nach unten sackte.)

Zurück zum EDFC: Wer sich für »Follow« interessierte, konnte in diese Arbeitsgemeinschaft eintreten und durfte dann einen Charakter simulieren, der auf der Fantasy-Welt Magira lebte. In Zeiten, wo Rollenspiele und Online-Games völlig normal sind, muss man das ja niemandem mehr erklären; im Jahr 1979 war das so ziemlich das Abgefahrenste, was man sich vorstellen konnte. Die meisten meiner Mitschüler verstanden damals und auch in folgenden Jahren nicht einmal im Ansatz, was ich da eigentlich machte.

Ich las die Informationsschrift durch, die Magira vorstellte, und danach war mir klar, dass ich ein sogenannter Fellow werden wollte, also ein Mitglied von »Follow«. Das war kein demokratischer Verein – für die Demokratie war der EDFC zuständig –, sondern ein Clan-System, wo Lords autokratisch über ihre Untergebenen herrschten. Zumindest war das auf dem Papier so, in Wirklichkeit verhielt es sich ganz anders.

Aber ich fand das unglaublich interessant, und ich entschloss mich dazu, dem Greifen-Clan beizutreten. Dieser wurde von Lord Lantagor geführt, dem Kaiser von Wolsan, der im wirklichen Leben als Lehrer in Passau arbeitete. Zufälligerweise war das die Stadt, in der auch der EDFC seinen Sitz hatte. Ich bat den Lord Lantagor darum, Mitglied im Greifen-Clan werden zu dürfen, und ich nannte ihm meinen Namen: Ghazir en Dnormest.

Warum dieser Name? So viel steckte jedoch nicht dahinter. Ich hatte bereits ein grundsätzliches Interesse für afrikanische Kulturen entwickelt und fand Namen mit »gh« klasse – diese Konsonantenverbindung wird im Prinzip wie ein »chrrrr« ausgesprochen, aber das wusste ich damals noch nicht.

Im Nachhinein bin ich mir übrigens nicht mehr sicher, ob ich vielleicht sogar »türkte«: Mitglied in »Follow« durfte man nur werden, wenn man schon 16 Jahre alt war. Entweder trickste ich mit dem Alter, oder ich wartete meinen 16. Geburtstag im Dezember 1979 ab. Ende des Jahres 1979 war ich auf jeden Fall »Follower«, also ein Mitglied bei »Follow« - und sehr stolz darauf.

Wie schnell ich dann Greif und vor allem Esraner wurde, das ist eine andere Geschichte, die ich beim nächsten Mal erzählen werde ...

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