10 Januar 2019

Ich lernte Raumkapitän Nelson kennen

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Es gibt Augenblicke, die man wohl nicht vergessen kann. Meine Begegnung mit den ersten PERRY RHODAN-Heftromanen gehört dazu. Nie werde ich diesen Zeltplatz vergessen, nie diese Stunden mit den ersten Romanen. Ähnliches gilt für die Begegnung mit den PERRY RHODAN-Taschenbüchern – sie erfolgte in den Sommerferien des Jahres 1978.

In diesem Sommer 1978 kannte ich die Heftromanserie bereits in ihren Grundzügen. Ich hatte alle Romane ausgeliehen, die mein Freund und sein großer Bruder besaßen, und ich war zu einem eifrigen Leser der vierten Auflage geworden. Jede Woche verfolgte ich mit Spannung die Abenteuer von Perry Rhodan, Reginald Bull und ihren Gefährten. Ich hatte mir vorgenommen, bald auch in die erste Auflage einzusteigen.

Ich wusste, dass es weit mehr gab. Wenn ich PERRY RHODAN-Romane im örtlichen Supermarkt oder am Bahnhof kaufte, sah ich gelegentlich die Taschenbücher. Sie sprachen mich durchaus an, aber oft konnte ich mit der Inhaltsangabe nicht viel anfangen. Zudem hatte ich nicht genügend Geld, um mir auch die Taschenbücher zuzulegen.

Alles veränderte sich, als ich den Roman »Flammende Welten« in den Händen hielt. Zu der Zeit mochte ich unter anderem die Romane von H. G. Ewers sehr. Ich konnte über die Abenteuer von Tatcher a Hainu und Dalaimoc Rorvic lachen, die ich im »Schwarm«-Zyklus der zweiten Auflage teilweise erlebt hatte, und ich mochte seine Gucky-Darstellung im »Meister der Insel«-Zyklus.

Ich schlug das Taschenbuch auf, das ich in einem Drehständer der Bahnhofsbuchhandlung sah, und las die ersten Zeilen: »Die Ewige Stadt erbebte, als hätte der Hammer eines imaginären Riesen von unten gegen ihr Fundament geschlagen.« Ich war hin und weg. »Dann wurde es still.« Was war das für ein Einstieg …

Das Titelbild des Romans sprach mich ohnehin an, von »Raumkapitän Nelson« hatte ich allerdings keine Ahnung. Aber ich fand »fremdes Universum« interessant und erfreute mich an der Formulierung »Raum-Zeit-Abenteuer«. Was das wohl sein mochte? Verwirrend fand ich, dass in der oberen rechten Ecke »Atlan-Zeitabenteuer« zu lesen war.

So richtig verstand ich den Anfang der Geschichte nicht, als ich im Bahnhof die ersten zwei Seiten las. Ich wusste immerhin, wer Tengri Lethos war – den Namen kannte ich aus den Andromeda-Romanen. Spontan kaufte ich das Taschenbuch, das 3,80 Mark kostete. Daheim fing ich schnell mit der Lektüre an.

Die Handlung fesselte mich trotz einiger Schwierigkeiten. Was der Raumkapitän Guy Nelson und seine Schwester Mabel in einer fernen Galaxis erlebten, kapierte ich beispielsweise nicht so richtig. Ein Ewigkeitsschiff konnte ich mir ebensowenig vorstellen, aber das war ein Begriff, der mir durch die Lektüre bewusst wurde.

Mich fesselte letztlich vor allem die große kosmische Geschichte, die H. G. Ewers in diesem Roman erzählte. Mit großen Augen las ich von den Gys-Voolbeerah, den sogenannten Molekülverformern, und ihrem großen Imperium. Diese MVs kannte ich bereits aus den PERRY RHODAN-Heften, die ich gelesen hatte.

Der Autor entführte mich buchstäblich Jahrmillionen in die Vergangenheit, hin zu Galaxien und Konflikten, von denen ich nie zuvor gehört hatte. Ich las von Krieg und Aufstand, von »Dutzenden ausgebrannter Galaxien«, von fürchterlichen Massenmorden, die in einem Nebensatz abgehandelt wurden. Einerseits fand ich das grauenvoll, andererseits faszinierte es mich.

Der Autor breitete vor seiner Hauptfigur – und vor mir als Leser – ein Szenario aus, wie ich es mir bisher kaum hatte vorstellen können. Es ging tatsächlich um das Schicksal von kompletten Sterneninseln, besiedelt von Hunderttausenden intelligenter Völker … Dagegen kam mir der Konflikt mit den »Meister der Insel« bereits reichlich klein vor.

Trotz meiner Faszination für den großen kosmischen Bogen verstand ich streckenweise nicht viel, egal, wieviel Mühe ich mir gab. Wie das Abenteuer der beiden Nelsons mit dem Mutanten Iwan Iwanowitsch Goratschin zusammenhing, den ich gerade erst in der vierten Auflage so richtig kennengelernt hatte, war mir völlig schleierhaft. Aber irgendwie störte mich das nicht, die Geschichte faszinierte mich trotz aller Verwirrung.

Lag das am Autor, fand ich einfach die Figuren so interessant? Während der Lektüre stellte ich auf jeden Fall fest, dass es sinnvoll war, diese Taschenbücher zu lesen. (Meine Freunde, von denen ich bisher die Heftromane ausgeliehen hatte, fanden an den Taschenbüchern keinerlei Interesse.) Hier erweiterte sich das PERRY RHODAN-Universum für mich in ungeahnter Weise. Es ging in die Vergangenheit – gleich Jahrmillionen – und in fremde Universen, weit über den Horizont hinaus, den ich durch meine bisherige Lektüre kennengelernt hatte.

Nachdem ich die Lektüre beendet hatte, hallte der Roman buchstäblich in mir nach. Das Ende war offen – wie es wirklich mit Guy und Mabel weitergehen würde, erfuhr ich nicht. Aber ich wurde jetzt doch neugierig auf das »Umfeld« der PERRY RHODAN-Serie. Ich hatte kapiert, dass in den Taschenbüchern teilweise ungewöhnliche Geschichten auf mich warteten. Da würde ich weitermachen, das nahm ich mir vor.

Später fing ich übrigens sogar damit an, eine Fortsetzung zu »Flammende Welten« zu schreiben. Diese wurde nie publiziert, und ich schrieb sie auch nie zu Ende. Und so ist das dann doch eine ganz andere Geschichte …

1 Kommentar:

  1. Schade dass es sowas heute nicht mehr gibt. Heute ist alles nur noch durchgestylt, alles nur noch Stromlinie. Es wird mehr Wert auf Technik als Phantasie gelegt.

    Aber das ist wohl aktuell der Zeitgeist. Sieht man ja auch an Interviews mit Fussballern. Tiefgründig waren sie nie, aber früher haben sie wenigsten regelmäßig einen rausgehauen. Heute hört man nur noch Platitüden fürs Phrasenschein. Oder wann hat jemand das letzte mal ein Interview gehört wo nicht das "Vollgas geben" gefallen ist. Hat man eins gehört hat man alle gehört.

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